Das Immunsystem der Seele

Resilienz trainieren

Jeder Mensch hat eine (gewisse) psychische Widerstandkraft und sieht sich im Laufe des Lebens verschiedenen Krisen ausgesetzt. Doch weshalb bewahren sich die einen auch unter stressigen und widrigen Lebensphasen ihre Lebenskraft und bleiben gesund, während andere aus der Bahn geworfen werden und bildlich gesprochen umfallen?

Resilienz ist eine besondere Kraft der Psyche, um auch stark belastende Situationen weitgehend unbeschadet zu überstehen. Die Wissenschaft geht von vielen einzelnen Faktoren aus – manche bekannt, manche nicht – die es resilienten Menschen ermöglichen, ihre psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrecht zu erhalten bzw. schnell wiederherzustellen.

Schutzfaktoren und Ressourcen
Über die Lebensspanne hinweg, kann diese Kraft trainiert werden, denn nur 30 bis 50 Prozent sollen genetisch bedingt sein. Dabei sind die als Belastung empfundenen Situationen sehr individuell: Für die einen ist der Umzug in ein neues Land eine willkommene Herausforderung, für andere wird er zur grossen Katastrophe. Eine Krebserkrankung kann von den einen als nahendes Ende des Lebens gesehen werden, während andere zur Therapie gehen und scheinbar unberührt ihr bisheriges Leben weiterleben.

Was macht den Unterschied aus? Schutzfaktoren wie ein positives Selbstwertgefühl, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung (die Annahme, aufgrund der eigenen Fähigkeiten eine bestimmte Situation erfolgreich zu bestehen), aktive Stressbewältigung, Optimismus, Bündelung aller Energien, gesunde Ernährung, Bewegung, familiärer Zusammenhalt wie auch gute soziale Bindungen sind positive Faktoren, die die Resilienz stärken.

Resiliente Menschen

  • halten Krisen für überwindbar, sie denken grundsätzlich positiv.
  • sind imstande, in Netzwerken zu denken und die Hilfe anderer Menschen zu nutzen.
  • empfinden Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als elementaren Bestandteil   persönlichen Wachstums.
  • wenden sich eigenen Zielen zu und sind entscheidungsfreudig.
  • verfügen über ein hohes Mass an Selbstreflexionsfähigkeit.
  • können sich selbst und ihre Emotionen beobachten und verändern.
  • verfügen über ein positives Selbstbild und ein hohes Mass an Selbstvertrauen.
  • sind realistisch und verfügen über eine hoffnungsvolle Grundhaltung.
  • achten auf sich selbst.
  • sind neugierig, probieren gerne etwas Neues aus, stellen Fragen und interessieren sich für Zusammenhänge.

«Ich arbeite beruflich mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung», sagt Stephan Gisler, Leiter Wohnheim Bättigmatte, Stiftung Phönix Schwyz. Psychische Erkrankungen entstehen oft schon in der Kindheit oder im jungen Erwachsenenalter. Zunehmender sozialer Stress, Belastungen in der Schule, der Ausbildung und im familiären Umfeld sowie traumatisierende Ereignisse seien keine guten Voraussetzungen für den Aufbau einer persönlichen Resilienz. Trotz dieser ungünstigen Voraussetzung gelingt es vielen Menschen mit einer psychischen Erkrankung, einen persönlichen Weg der Genesung zu gehen. Dies geschieht nicht durch ein Wunder, es ist vielmehr die persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheits- und Lebensgeschichte, aus der die Betroffenen wieder die Kontrolle über ihr Leben erhalten.

Die Erfahrung, dass man trotz einer Erkrankung ein Leben mit Qualität und Selbstwirksamkeit leben kann, erzeugt viel Resilienz für sich selbst. Wenn solche Erfahrungen erzählt und geteilt werden können, ist dies ein Mehrwert für alle Menschen, die selbst psychisch krank sind. Es vermittelt Hoffnung und Zuversicht, dass es trotz Schwierigkeiten im Leben weitergehen kann. Hoffnung und Zuversicht seien aus Sicht des Leiters von ensa-Kursen beim Roten Kreuz wichtige Essenzen für die Bewältigung von schwierigen Lebenssituationen.

«Bewegung an der frischen Luft versorgt jede Zelle des Körpers mit Sauerstoff und Entgiftungsvorgänge werden in Gang gesetzt. Die Achtsamkeit wird trainiert, Muskeln und Bänder bewegt und der Kopf wird frei.»
Tanja Bernauer, dipl. Pflegefachfrau

Sieben Sekunden umarmen
Gemäss Tanja Bernauer, dipl. Pfl egefachfrau, Kursleiterin Lehrgang Pfl egehelfende SRK und Palliative Care, gibt es einige einfache Ratschläge, wie sich die Widerstandsfähigkeit erhöhen lässt. Sie sind uns allen eigentlich bekannt. Raus in die Natur zu gehen, sich zu bewegen und gut zu ernähren beispielsweise. «Bewegung an der frischen Luft versorgt jede Zelle des Körpers mit Sauerstoff und Entgiftungsvorgänge werden in Gang gesetzt. Die Achtsamkeit wird trainiert, Muskeln und Bänder bewegt und der Kopf wird frei.»

Weitere wichtige Bausteine sind ein erholsamer Schlaf, um neue Kraft zu schöpfen, und auch die Fähigkeit, geniessen zu können: eine Massage, ein Theaterbesuch, ein Verwöhnmenü – gut ist, was Freude macht und unsere Seele pfl egt. «Schauen Sie auch auf die Menschen, die Sie umgeben», fährt die Kursleiterin fort. «Es gibt ‹Energievampire›, die Energie absaugen. Umgeben Sie sich mit positiven Menschen.» Umarmungen sind ebenfalls hilfreich, denn der Körper schüttet dabei das «Glückshormon» Oxytocin aus, das Stress abbaut. Eine Umarmung, die sich gut anfühlt und mindestens sieben Sekunden dauert, lässt die positive Wirkung überschwappen. Auch Lachen, das bekanntlich «die beste Medizin» ist, wirkt heilend und kann helfen, die eigene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Meditation sowie Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen leiten den Weg zur inneren Ruhe.

«Am Anfang steht sicher die Akzeptanz. Ich muss die neue Situation bewusst wahrnehmen und sie akzeptieren...»
Simone Kuhn, Ausbildnerin und selbstständige Trauer- und Sterbebegleiterin

Akzeptanz und Ziele setzen
Grosse Erfahrung mit dem Thema Resilienz hat Simone Kuhn, Ausbildnerin und selbstständige Trauer- und Sterbebegleiterin, bei ihrer Arbeit mit trauernden Menschen gesammelt. «Am Anfang steht sicher die Akzeptanz. Ich muss die neue Situation bewusst wahrnehmen und sie akzeptieren: JA, ich bin aufgewühlt; JA, damit habe ich nicht gerechnet; JA, ich hätte diese Stelle gerne bekommen und bin über die Absage enttäuscht.» Danach ginge es darum, den Fokus auf persönliche Kraftquellen zu richten und zu schauen, was möglich ist, was wir wollen und ändern können. Hilfreiche Fragen dazu können sein: «Was brauche ich, um mich besser zu fühlen? Welche Schritte sind jetzt zu machen? Was ist möglich, was nicht?» Ein inneres Bild von diesem neuen Ziel hilft, die einzelnen Schritte dann auch tatsächlich zu gehen. Es geht auch darum zu akzeptieren, dass wir gewisse Dinge nicht ändern können.

Resilienz hat viele Gesichter
Unsere Resilienz ist auch unscheinbar im Alltag präsent. Für viele Menschen sind die aktuellen Krisen wie Krieg, Erdbeben oder Klima und globale Unsicherheiten sehr bedrückend – die Bilder und Informationen sind präsent. Für die psychische Widerstandkraft ist es jetzt wichtig, dass sie genährt wird. Man darf und soll sich auch in schrecklichen Phasen an Schönem freuen, über Lustiges lachen und positive Eindrücke sammeln. «Eine Frau nimmt seit ihrem Burn-out am Ende des Tages zum Beispiel neun Glasperlen in die Hand. Sie legt sie einzeln in die andere Hand und verbindet damit einen Gedanken daran, wofür sie an diesem Tag dankbar ist», verrät Tanja Bernauer. Rituale geben uns Halt im Leben bzw. eine Struktur, die Ordnung in ein Chaos bringt und der Seele ein Stück weit Sicherheit gibt. Das Thema Resilienz wird beim SRK in unterschiedlichen Kursen besprochen.

Die nächsten öffentlichen Kurse finden wie folgt statt:
  • Freie Plätze verfügbar
  • Wenige Plätze verfügbar
  • Ausgebucht
  • Durchführung garantiert
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